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Achter Blog - August 2024

"Wie kam es eigentlich zur Vereinigung von      Unkel und Scheuren?"

Gemarkungskarte Unkel und Scheuren
Gemarkungskarte Unkel und Scheuren

Scheuren war dank der preußischen Kommunalreform ab 1817 eine eigenständige Gemeinde im Amt Unkel.

 

Welchen Grund gab es also, sich 1907 mit Unkel zu vereinigen ? 

 

Das Stichwort heißt „Trinkwasser, sauber und ausreichend“.


 

 

Das Thema „Trinkwasser“ tritt seit einiger Zeit wieder in den Vordergrund. Sehr trockene Sommer führten mancherorts zur Knappheit. Aber auch die Nitratbelastung des Grundwassers in landwirtschaftlich geprägten Gegenden hat eine Diskussion über die Qualität des Trinkwassers ausgelöst. Dabei hielten wir jahrzehntelang die unbegrenzte Lieferung von sauberem Trinkwasser für selbstverständlich. Am Rhein erinnerte man sich wohl noch an die „Sandoz-Katastrophe“ 1987. Aber das war ein zeitlich begrenzter Zwischenfall, dessen Auswirkungen bald beseitigt waren.

 

Von ganz anderer Gewichtung war das Trinkwasserproblem hier bei uns zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bis in die 1880er Jahre schöpften die Bewohner das Trinkwasser aus Brunnen. Dann aber stellte man mit Hilfe neu entwickelter Untersuchungsverfahren fest, dass das Wasser häufig mit gesundheitsgefährdenden Darmbakterien und Keimen belastet war. Nun kannte man die Ursache für viele Krankheitsfälle.

 

Scheuren um 1900
Scheuren um 1900

 

Man begann von Quellen oberhalb der Orte Wasserleitungen in die Ortschaften zu verlegen. Auch Scheuren bekam 1890 eine Wasserleitung, denn das Brunnenwasser der Pütz reichte für die rund 250 Einwohner nicht mehr.

Doch zum großen Verdruss der Scheurener stellte sich bald heraus, dass die Quellen zu wenig Wasser lieferten. Der Sommer 1892 war heiß und der Wassermangel groß. Versuche oberhalb der Quellen Wasser zu finden, blieben erfolglos.

Der Eigentümer des Haanhofs verweigerte die Entnahme aus einer seiner Quellen. Auch in den Folgejahren besserte sich die Lage nicht. In Unkel war es nicht viel besser. Ab 1893 musste die Wasserentnahme mehrfach rationiert werden.

Die Erkenntnis in beiden Gemeinden nahm Gestalt an, dass etwas Grundlegendes geschehen musste. Aber woher das Geld nehmen?

Insbesondere Scheuren, dessen Finanzkraft etwa fünfmal kleiner war als die der Unkeler, konnte die Mittel für eine leistungsstarke Wasserleitung nicht aufbringen.

 

 

Um 1900 begannen die Gemeindevertreter über eine gemeinschaftliche Lösung nachzudenken. Gemeinsam würde man stärker sein. Aber die Mühlen mahlten langsam.

Mittlerweile war die Einwohnerzahl von Scheuren auf rund 330 angestiegen.

 

Schließlich schaltete sich der Neuwieder Landrat Herr Geheimrat von Runkel ein, erschien am 14.08.1905 persönlich und sorgte für die Aufstellung eines Acht-Punkte-Planes, der die Scheurener und Unkeler zwang, endlich „Nägel mit Köpfen“ zu machen. 

 

Bereits eine Woche später vermeldete der Unkeler Gemeinderat dem Landrat eine konkrete Aufstellung seiner Bedingungen für einen Vereinigungsvertrag. Alle erforderlichen Nachweise wurden nun zügig erbracht und am 25.11.1905 leitete Landrat von Runkel im „Local des Winzervereins“ die gemeinsame Sitzung beider Gemeinderäte.

 

Es wurde einstimmig beschlossen, dass die "Eingemeindung" von Unkel und Scheuren zu der neuen Gemeinde "Unkel-Scheuren" zum 1.04.1906 in Kraft treten sollte.

Hinterhaus im Weingut Stumpf
Hinterhaus im Weingut Stumpf

 

Daraus wurde nichts. Es war etwa genauso wie heute: die „Kommunalaufsicht“ schaltete sich ein; das war damals der Regierungspräsident in Coblenz.

Halt stop! Und alles von vorne. „Mit welcher Begründung wollen sich die beiden Gemeinden denn überhaupt vereinigen?“

Und überhaupt: Eine solche Eingemeindung geht nur mit der allerhöchstselbigen Genehmigung seiner Majestät des Kaisers.

Das Innenministerium in Berlin übernahm das Kommando und legte fest, dass die Eingemeindung, falls bis dahin alle Bedenken ausgeräumt seien, zum 1.04.1907 in Kraft treten könnte.
Um es kurz zu machen, dieser Termin wurde tatsächlich eingehalten. Scheuren wurde an eine neue Unkeler Wasserleitung angeschlossen und auch an die Unkeler Gasleitung, womit die Straßenbeleuchtung ermöglicht wurde.

Außerdem erhielt die „Pützgasse“ eine neue Pflasterung. Pützgasse? So hieß die Sankt Josefstraße bis 1910, als man die Verwechslungsgefahr mit der Unkeler Pützgasse beseitigte.

 

1913 war es dann soweit, dass sich die vereinigte Gemeinde einen neuen Hochbehälter mit gasbetriebener Pumpe im „Källborn“, oberhalb von Scheuren leisten konnte und das Trinkwasser nun sauber, ungefährlich und ausreichend war.

 

 

W. Meitzner, Juli 2024

Obere St. Josefstraße, vormals Pützgasse (Scheuren)
Obere St. Josefstraße, vormals Pützgasse (Scheuren)

Nachtrag

 

Zu berichten ist noch, wie es dazu kam, dass die Ortsbezeichnung „Scheuren“ im Namen der Gemeinde (und jetzt Stadt) Unkel gar nicht mehr vorkommt. Laut Vereinigungsvertrag hieß die neue Gemeinde Unkel-Scheuren“.

Aber dann gab es Irritationen. 1910 sinnierte das Königl. Preuß. Statistische Landesamt in Berlin darüber, wie man orthografisch mit doppelten Ortsnamen umgehen sollte: mit Bindestrich oder ohne, oder gar zusammengeschrieben.

UnkelScheuren wurde ausdrücklich als Problemfall genannt!

Zu einer eindeutigen Lösung kam man nicht.

 


Dann schrieb die Königl. Eisenbahndirektion nach Unkel-Scheuren: Man könne hinsichtlich der Wohngeldzuschüsse für die Eisenbahner die Ortsklassen nicht festlegen. Wie denn das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Unkel und Scheuren zu einander stünde und wie die Ortsbezeichnung denn nun lautet.


Bürgermeister und Gemeindevertreter waren genervt und überlegten, ob der Einfachheit halber die Gemeinde künftig nur „Unkel“ heißen sollte.

Man versuchte, in Berlin zu erkunden, ob das genehmigt würde.

 

Am 24.10.1910 kam der Erlaß:

Der Kaiser hatte entschieden, dass der Ortsname „Unkel-Scheuren“ in „Unkel“ umgeändert wird.


Bildergalerie - Historisches Scheuren